Klimt: Fakultätsbild Medizin

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Klimt rekonstruiert: Maschinenmalerei

Ihren Lauf nahm die packende Story, die zu einem der größten Kunstskandale des 20. Jahrhunderts wurde, 1894, als das k. u. k. Unterrichtsministerium den Auftrag zur Ausschmückung des Großen Festsaals der neuen Universität Wien am Ring erteilte. Den Zuschlag bekamen die Künstler Gustav Klimt und Franz Matsch. Für das Künstlerduo war es eine lukrative Auftragsarbeit: Sie umfasste fünf große Deckengemälde und zehn kleinere Werke mit wissenschaftlichen Bezügen: Den vier großen Fakultäten der Wiener Universität, nämlich Theologie, Philosophie, Medizin und Jurisprudenz, sollte je eine Darstellung gewidmet sein. Für das zentrale Mittelbild war das Thema „Der Sieg des Lichts“ vorgesehen.

Als Franz Matsch seine ersten Entwürfe für das zentrale, acht Meter lange Mittelbild vorlegte, herrschte Einigkeit. Auch Klimt präsentierte den Entwurf für eines von insgesamt drei bei ihm beauftragen Fakultätsbildern. Auch dieser Entwurf fand Anklang. Die beiden Maler machten sich ans Werk. Sie arbeiteten mehrere Jahre an den Gemälden. Doch es waren Jahre, in denen sich Klimts Stil drastisch änderte. Der Grundstein für einen gewaltigen Eklat war gelegt. Der Kunstskandal kam ins Rollen.

Die ungeschönte Wahrheit

Als Klimt seine drei fertigen Gemälde den Auftraggebern vorlegte, war die Empörung gewaltig. Klimts pessimistische und kritische Perspektive auf die Wissenschaft wurde mit Fassungslosigkeit aufgenommen. Denn statt wie üblich zu idealisieren, zeigten Klimts Fakultätsbilder die ungeschönte Wahrheit wie Krankheit und Armut. Ein radikaler Ansatz. Die Auftraggeber:innen kritisierten, dass Klimts Werke nicht mehr ins Gesamtkonzept passten. Es folgten heftige Streitereien – mit dem Ergebnis, dass die Bilder ihren Weg in den Großen Festsaal nicht fanden. Nicht nur das: Klimt war bitterböse, kaufte die Bilder zurück und beschloss, nie wieder einen öffentlichen Auftrag anzunehmen. Stattdessen widmete er sich Portraits und Landschaftsbildern, mit denen er zum Kunstrevolutionär und in der Folge weltberühmt wurde. Doch die Bilder kamen auch nach Gustav Klimts Tod 1918 nicht zur Ruhe. Während der Zeit des NS-Terrors wurden die Bilder, die mittlerweile zur berühmten Sammlung Lederer gehörten, konfisziert und arisiert. Der große Showdown für die Fakultätsbilder kam im Mai 1945, als die Bilder auf Schloss Immendorf, gut 50 Kilometer nördlich von Wien, lagerten. In den Wirren der letzten Tage des Zweiten Weltkrieges steckten die Nazis das Schloss in Brand. Immendorf ging samt den Fakultätsbildern und vielen weiteren wichtigen Kunstwerken in Flammen auf. Nicht nur, dass die Originale verloren waren: Von den Fakultätsbildern existierten nicht einmal Farbfotos. Lediglich Schwarz-Weiß-Aufnahmen hielten für die Nachwelt fest, was Klimt hier geschaffen hatte. Das Ende einer Geschichte? Fast.

Die Kunst der künstlichen Intelligenz

Knapp 75 Jahre nach der Zerstörung der Gemälde begann ein kunsthistorisches Puzzlespiel im Zeichen der künstlichen Intelligenz. Die Österreichische Galerie Belvedere, die museale Heimat der größten Klimt-Gemäldesammlung der Welt und eines der Top-Museen Wiens, tat sich mit dem Arts and Culture Department von Google zusammen, um die digitale Plattform „Klimt versus Klimt“ aus der Taufe zu heben. Ein Projekt, das 33 Partnerinstitutionen aus zwölf Ländern umfasste. Teil des Projekts war der Versuch, Klimts Fakultätsbilder mit Hilfe eines besonderen Algorithmus wiederauferstehen zu lassen, um die ursprüngliche Farbigkeit der Bilder erlebbar zu machen. Ein spektakuläres Vorhaben, das internationale IT-Fachleute, Kunsthistoriker:innen und Klimt-Expert:innen an einen Tisch brachte.

Wenn Daten kreativ werden

Die Basis für den Kolorierungsversuch war ein Algorithmus, der eigentlich für die nachträgliche Kolorierung von Schwarz-Weiß-Fotos entwickelt worden war. Für das Klimt-Projekt wurde dieser Algorithmus adaptiert und weiterentwickelt. Ein hochkomplexes Unterfangen, das sich auch des so genannten Machine Learnings bediente – ein Teilbereich von künstlicher Intelligenz, dessen Grundlage komplizierte statistische Modelle bilden. Vereinfacht gesagt: Computer mit sehr hoher Rechenleistung werden mit jeder Menge Daten gefüttert, die Hinweise auf die Farbgebung der damaligen Kunstwelt geben. Damit dieser Algorithmus auch entsprechende Ergebnisse liefert, waren tausende Vergleichsbilder aus dieser kunsthistorischen Epoche notwendig, aber auch weitere Algorithmen, die miteinander verschränkt wurden. In Summe flossen auf diesem Weg die Informationen von rund 90.000 Kunstwerken in das Vorhaben ein. Herzstück dieser Daten waren rund 80 Gemälde von Klimt, die den Expert:innen des Belvedere für die Rekonstruktion der Fakultätsbilder besonders relevant erschienen, weil diese Gemälde aus der gleichen Schaffensperiode stammten – oder weil sie hinsichtlich der dargestellten Motive Parallelen zu den Skandalbildern aufwiesen. Doch nicht nur direkte visuelle Informationen haben die Mitarbeiter:innen von Google Arts & Culture und des Belvedere Schritt für Schritt verarbeitet.

Erstaunliche Erkenntnisse

Genauso wichtig war eine umfassende Recherche in Bibliotheken und insbesondere in diversen Zeitungsarchiven. Zur Überraschung aller Beteiligten erwiesen sich diese Quellen als sehr ergiebig. Denn die Kunstkritiker:innen der damaligen Zeit lieferten in ihren Ausstellungsrezensionen erstaunlich präzise Beschreibungen der drei Fakultätsbilder. Auf diesem Weg konnte mehr als der Hälfte der Bildmotive sehr konkrete Farben zugeordnet werden. Es war ein wichtiger Schritt für die Rekonstruktion der Bilder: Denn es stellte sich heraus, dass sich Klimt sehr stark an jenen Farben orientierte, die bereits in den ersten Entwürfen für die Bilder verwendet wurden, was nicht selbstverständlich ist. Und gerade das der Medizin gewidmete Fakultätsbild erwies sich als großer Glücksfall: Von einem kleinen Ausschnitt dieses Bildes existiert eine Farbfotografie, die 1931 in einer Publikation über Gustav Klimt erschienen ist, was weitere wichtige Anhaltspunkte für das Endergebnis lieferte. Stück für Stück begann sich das Puzzle zusammenzusetzen. Nach fast vierjähriger Arbeit war es so weit: Klimts Fakultätsbilder erstrahlten wieder in alter Farbpracht und demonstrieren nun der Nachwelt auf spektakuläre Weise, wie fantastisch die Kunst der Wiener Moderne war. Doch es trat auch eine besondere kunsthistorische Erkenntnis zu Tage: Die Rekonstruktionen zeigen sehr deutlich, dass Klimts Fakultätsbilder nicht nur hinsichtlich der Darstellungsweise der drei Themen aus der Reihe tanzten. Insbesondere die Farbgebung war im Vergleich zu Franz Matschs Beiträgen eine völlig andere. So gesehen, hatten die Auftraggeber:innen mit ihrer Entscheidung, die Bilder abzulehnen, recht. Für die Kunstwelt war es allerdings eine fatale Entscheidung, denn an der Decke der Universität Wien hätten die Gemälde den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden.

Text: Johannes Luxner

Oberes Belvedere, Aussenansicht
© WienTourismus/Paul Bauer


Belvedere

Prinz-Eugen-Straße 27
1030 Wien
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Unteres Belvedere & Orangerie

Rennweg 6
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      2in1 Ticket (Oberes und Unteres Belvedere)

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      Orangerie: barrierefrei zugänglich; Eingang in die Orangerie: Zugang über Verbindungsgang vom Unteren Belvedere in die Orangerie, 2 einflügelige Glastüren (jeweils 131 cm breit); barrierefreies WC in der Orangerie.

Belvedere 21

Arsenalstraße 1
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      • 1 Behinderten-Parkplätze vorhanden
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      • Tür 90 cm breit
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      • Blindenhunde erlaubt
      • 2 Rollstuhlplätze verfügbar (im Blickle-Kino beim Eingang rechts)
      • Behinderten-WC mit barrierefreiem Zugang vorhanden.
    • Spezielle Angebote für Menschen mit Behinderung

      Tastführungen zur Architektur des 21er Haus und den Skulpturen von Fritz Wotruba für blinde und sehbehinderte Menschen.

    • Anmerkungen

      Sitzmöglichkeiten in den Ausstellungen, im Foyer und in der Garderobe.

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