Mehr als du denkst
Skandale, Affären und Gerüchte faszinieren seit jeher die Gesellschaft. Vor allem, wenn es um bekannte weibliche Persönlichkeiten geht. Meist werden ihre Talente, ihr künstlerisch, technisch und gesellschaftlich relevantes Werk und Vermächtnis wenig thematisiert. Was deshalb nur allzu oft bleibt, sind Klischees von der Geliebten oder der aufopfernden Ehefrau. Doch vorschnelle Urteile und Klischees haben eines gemeinsam: Sie sind da, um gebrochen zu werden.
Mehr als eine Geliebte
Sie ist als Ehefrau von Gustav Mahler, Walter Gropius und Franz Werfel und wegen ihrer Liebschaften mit Gustav Klimt, Alexander von Zemlinsky und Oskar Kokoschka in Erinnerung. Alma Mahler-Werfel war aber viel mehr als das:
Alma Mahler-Werfel war selbst begabte Komponistin und erhielt schon in ihrer Jugend Unterricht. Zu ihren Lieblingskomponisten zählten Schubert und Schumann, aber auch Richard Wagner. Als junge Frau komponierte sie ein umfangreiches Repertoire an Stücken. Eine Leidenschaft, auf die sie ihrem Ehemann zuliebe, dem Komponisten Gustav Mahler, später verzichtete. Umso mehr widmete sie sich zu ihren Lebzeiten der Förderung begabter Künstler:innen. Sie hatte den Blick fürs Genie, trotzdem blieb ihre Tätigkeit als Mäzenin und Förderin nahezu unbeachtet.
Alma Mahler-Werfel 1879-1964
Mehr als ein Filmstar
Ihren Durchbruch in Hollywood hat sie einer für die damalige Zeit skandalösen Nacktszene im Film "Extase" im Jahr 1933 zu verdanken. Hedy Lamarr war aber viel mehr als das:
Sie war eine Pionierin in der Technologie mit großem Erfinderinnengeist. Zusammen mit ihrem damaligen Ehemann, dem Komponisten George Antheil, arbeitete sie an der Entwicklung eines geheimen Kommunikationssystems für die US-Regierung während des Zweiten Weltkriegs. Das System, das später als "Frequency Hopping" bekannt wurde, sollte die Signale von Torpedos und anderen Waffen vor Störungen und Entschlüsselung durch feindliche Kräfte schützen. Obwohl ihr Konzept zu ihrer Zeit nicht genutzt wurde, wurde es später für die Entwicklung von modernen Technologien wie GPS, Bluetooth und Wi-Fi verwendet. Lamarr und Antheil erhielten 1942 ein Patent für ihre Erfindung. Sie wurde 2014 posthum in die National Inventors Hall of Fame aufgenommen, und seit 2018 wird jährlich der Hedy Lamarr Preis für herausragende Leistungen im Bereich der IT an österreichische Forscherinnen vergeben.
Hedy Lamarr 1914-2000
Mehr als eine Muse
Zahlreiche Fotografien und Erinnerungen an gemeinsame Ausflüge und Sommerfrischen lassen auf eine lange und innige Freundschaft zwischen ihr und Gustav Klimt schließen. Ob da je mehr gewesen ist, wissen wir nicht. Bis heute gilt sie als Klimts Muse und oft auch als seine Geliebte. Emilie Flöge war aber viel mehr als das:
Flöge war zeitlebens eine unabhängige, emanzipierte Unternehmerin. 1904 gründete sie gemeinsam mit ihren Schwestern Pauline und Helene das Modegeschäft „Schwestern Flöge“ in der „Casa Piccola“ auf der Mariahilfer Straße im 6. Bezirk. Ein Mode-Atelier, das zu seinen erfolgreichsten Zeiten bis zu 80 Näherinnen beschäftigte und dessen Kundinnen zur damaligen Wiener High Society gehörten. Emilie Flöge hatte auch eine große Rolle in der Frauenrechtsbewegung und förderte die Bildung und berufliche Entwicklung von Frauen. Revolutionär waren die weiten „Reformkleider“ – Flöges Antwort auf einengende Mieder und der Schritt in ein korsettfreies Leben.
Emilie Flöge 1874-1952
Mehr als eine Einbauküche
Ihr Entwurf einer standardisierten Küche wurde in rund 10.000 Wohnungen eingebaut - seitdem gilt sie als „Mutter der Einbauküche“. Margarete Schütte-Lihotzky leistete aber viel mehr als das:
Als Margarete Schütte-Lihotzky 1997 ihren 100. Geburtstag feierte, erwähnte sie, 1916 habe niemand geglaubt, dass je eine Frau beauftragt werde, ein Haus zu bauen – nicht einmal sie selbst.
Margarete war Schülerin von Oskar Kokoschka, Kolo Moser und Josef Hoffmann. Sie war eine der ersten Frauen in Wien, die 1919 zum Architektur-Studium zugelassen wurde und diesen Beruf mit Leib und Seele ausgeübt hatte. Sie war eine Visionärin, die für ihre Fähigkeit bekannt war, mittels Architektur praktische Lösungen für soziale Probleme zu finden. Ihre Arbeit hatte nachhaltigen Einfluss auf den sozialen Wohnbau. Ebenso groß war auch ihr Interesse und ihre Beteiligung an politischen Ereignissen: Sie leistete Widerstand gegen den Nationalsozialismus und setzte sich bis ins hohe Alter für Frauenrechte und die Sichtbarkeit von Frauen ein.
Margarete Schütte- Lihotzky 1897-2000