Wandern, zwei Frauen in einer Kellergasse

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Wandern wie eine Wienerin

Es ist Spätsommer in Wien, endlich Wochenende, ein sonniger Samstagvormittag – also sind langes Ausschlafen und noch etwas Freizeitaktivität angesagt. Was genau, das steht noch nicht fest. Ich bin mit meiner Freundin Teresa nahe des Schottenrings verabredet. Wir gehen, wie in Wien üblich, erst einmal auf einen Kaffee und besprechen, was wir machen könnten: Gemütlich soll es sein, wir wollen uns entspannen. Und Outdoor soll es sein, schließlich steht der Herbst schon vor der Tür. Ach ja, und mit den Öffis muss unser Ziel auch erreichbar sein, bitte schön. Wir gehen alle Optionen durch: Museum, Markt, Shopping und Ähnliches können uns heute nicht überzeugen. Bis es uns schließlich wie Schuppen von den Augen fällt! – Als wir die 31er-Bim vorbeifahren sehen, schauen wir uns an und sagen synchron: „Wir gehen wandern!“ Viele denken sich bestimmt: Wie jetzt, wandern? Da braucht man doch Equipment! Und was hat die Straßenbahn damit zu tun? Außerdem ist es schon Mittag. Da bleibt doch keine Zeit für eine Wanderung! – Doch, doch, in Wien geht sich das schon aus.  

Wandern, Weinberg, zwei Frauen
© Julius Hirtzberger

Der Weg ist das Ziel

Welch ein Glück, dass ein Wanderausflug in Wien keiner großen Ausrüstung oder viel Vorbereitung bedarf. Allerdings kann es nicht schaden, bereits im Vorfeld zumindest eine passende Wanderroute zu wählen und bequemes Schuhwerk ist sicherlich auch nicht verkehrt. Was uns betrifft: Unsere Turnschuhe und wir sind bereit. Die Wanderroute steht auch schon fest. Die Straßenbahnlinie 31, die uns zur Idee inspiriert hat, bringt uns direkt vom Schottenring in den 21. Bezirk nach Stammersdorf zum Stadtwanderweg 5. Die Fahrt dauert 36 Minuten.

Stadtwanderweg 5, Pfeil
© Julius Hirtzberger

In und um Wien herum gibt es zwölf offizielle Stadtwanderwege mit einer Länge von durchschnittlich zehn Kilometern. Insgesamt 14 Routen stehen zur Auswahl. Und alle haben ihre Vorzüge. Sie führen durch urbanes und trotzdem naturnahes Terrain, durch den Wienerwald, durch Weinberge und auf die Hausberge. Es muss gesagt sein, dass die sportliche Betätigung ein netter Nebeneffekt, aber nicht die Hauptintention der Wiener:innen ist, eine Wanderung anzutreten. Zumindest ist das bei uns beiden so! Wir wollen den Weg genießen. Ein bisserl spazieren, ein bisserl tratschen, beim Heurigen einkehren – so schön kann das Leben sein. Wir haben uns daher aus reinem Pragmatismus für den Stadtwanderweg 5 entschieden. Und sind sogar schon da – die Durchsage in der Straßenbahn ertönt: „Stammersdorf. Wir sind am Ziel. Bitte steigen Sie aus. Auf Wiedersehen.“

Die Ruhe vor dem Sturm  

So schnell kann es gehen: von der Stadt direkt aufs Land. In Stammersdorf ist der Dorfcharakter gut spürbar. Trotzdem gehört es zu Wien, genauer gesagt zum Bezirk Floridsdorf. Die Beschilderung des Stadtwanderweges hilft uns dabei, den Weg nicht aus den Augen zu verlieren und führt uns über die dörflichen Gässchen hinein in die Weinberge. Die Stammersdorfer Kellergasse und die Krottenhofgasse sind die ältesten Kellergassen Wiens und noch ein wahrer Geheimtipp – sogar viele Wiener:innen kennen weder das Heurigen-Angebot noch den Stadtwanderweg hier. In der Umgebung gibt es einiges zu sehen. Wander- Willige sollten definitiv mehr Zeit als die vorgeschlagenen drei bis vier Stunden einplanen. Heute lockt das wunderbare Wetter alle nach draußen, daher kreuzen unseren Weg Familien mit Kindern, Senior:innen in Gruppen beim Nordic Walking, aber auch junge Leute. Wir spazieren in moderatem Tempo die Route entlang und genießen in der hügeligen Landschaft den Ausblick über die ganze Stadt.

Immer wieder blitzt Wiens Skyline durch die Weinberge: UNO-City, DC-Tower und Donauturm, aber auch die Gasometer-Türme und die von Friedensreich Hundertwasser kunstvoll gestaltete Müllverbrennungsanlage Spittelau sind zu entdecken. Als wir beim Gasthaus Magdalenenhof vorbeikommen, sehen wir dort am Vorplatz die Stempelstelle. Hier kann man sich schwarz auf weiß bescheinigen lassen, dass man es geschafft hat, den Stadtwanderweg vom Anfang bis zum Ende zu bewältigen. Die Stempelkarte kann einfach zuhause ausgedruckt werden. Ganz analog und trotzdem ziemlich cool. Wir beschließen, dass wir uns bis zur nächsten Wanderung auch eine Stempelkarte zulegen.

Wandern, Frau beim Sturmtrinken
© Julius Hirtzberger

Unsere Mägen knurren, wir freuen uns auf einen kulinarischen Zwischenstopp. Im September und Oktober dürfen wir eine Köstlichkeit auf keinen Fall auslassen: den Sturm! Ein leicht vergorenes alkoholisches Getränk aus roten oder weißen Weintrauben, also die Vorstufe zum Wein. Dazu eine deftige Brettljause und der Wandertag in Wien ist perfekt.

Sturmtrinken gehört im Weinherbst zum Wandern, wie das Soda in den G’spritzen. Trotzdem will es gelernt sein:

  1. Niemals anstoßen!
  2. Nicht „Prost“, sondern „Mahlzeit“ sagen.
  3. Nicht zu viel auf einmal trinken.

Wandern, zwei Frauen in einer Kellergasse
© Julius Hirtzberger

Rechtzeitig vor der Dämmerung treten wir den Rückweg an, wir haben noch ein bis zwei Stunden Spaziergang vor uns und erleben Natur pur: Die Fledermäuse werden langsam wach und fliegen schon an unseren Köpfen vorbei. Eigentlich hofften wir auf Ziesel, doch die scheuen Verwandten der Murmeltiere bekommt man nur mit viel Glück zu sehen. Außerdem treten sie im Herbst ihren Winterschlaf an. Die Zeit verging wie im Flug, schon sind wir wieder bei der Station der Straßenbahn 31 und treten die Heimreise in die Innenstadt an. Mit der Bim über die Donau und ab nach Hause. In Wien geht sich echt alles aus.

Nicht verpassen: Der Wiener Weinwandertag ist der Wander-Treff schlechthin. Zum Weinwandertag

Text: Karoline Gasienica-Bryjak

Adresse:
Stadtwanderweg 5 – Bisamberg, Endstation der Straßenbahn 31
Stammersdorf, 1210 Wien

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