Wiener Streetfood: Angebissen
Trzesniewski: Bunter Brötchen-Kult
Das Konzept des Wiener Traditionsunternehmens mit polnischem Namen (gesprochen „Tscheschniefski“) ist so einfach wie genial – kleine Schwarzbrot-Häppchen mit Aufstrichen aller Art. Damit eignen sie sich seit jeher perfekt als kleiner Snack für zwischendurch. Die beliebteste Sorte ist Speck mit Ei. Eine Vielzahl von Fleisch-, Fisch-, vegetarischen und veganen Aufstrichen liegen in der bunten Brötchen-Theke. 18 der insgesamt 25 Sorten sind seit den Anfängen vor über 100 Jahren unverändert. Trotz vieler Versuche, die Arbeit durch Maschinen zu vereinfachen, entsteht das typische Muster im Belag bis heute in Handarbeit mit der Gabel. Lediglich eine Schneidemaschine sorgt dafür, dass jedes Brot die gleiche Größe hat. Traditionell dazu gehört der sogenannte „Pfiff“: ein Achterl Bier, das scheint die passende Menge zum Aufstrich-Häppchen zu sein. Die älteste Trzesniewski-Filiale liegt mitten in der Innenstadt unweit des Stephansdomes. Zwölf weitere sind in ganz Wien verstreut.
Leberkäse: Klingt komisch, schmeckt hervorragend
Er gehört zu Wien wie das Riesenrad, die Donau, der Walzer oder das Würstel: der Leberkäse. Keine Sorge, der Name leitet sich nicht vom Inhalt ab, sondern von der Kastenform, dem „Laib“. Auch der Begriff „Käse“ wurde ihm auf Grund der Ähnlichkeit der Form gegeben. Drin ist meistens Schweinefleisch, manche mischen Rind dazu. Gourmets verwenden sogar Kalb, und eine besondere Spezialität ist der Pferde-Leberkäse. In der klassischen Variante kommt eine Scheibe davon in die Semmel – je nach Vorliebe mit Senf oder Ketchup und weiteren Geschmackstreibern wie Kren, Gurkerl oder Pfefferoni. Verkauft wird die Leberkäs’-Semmel in fast allen Supermärkten, natürlich am Würstelstand und, nicht zu vergessen, in der Fleischerei. Besonders gut schmeckt’s beim Praterwirt oder bei der Fleischerei Ringl. Beide haben mehrere Sorten im Angebot. Der „Käse-Leberkäse“ beispielsweise ist sowohl geschmacklich als auch sprachlich eine äußerst spannende Kombination.
Tatarie Marie: Das Roh-Bistro
Ein Haubenkoch, ein Bio-Landwirt, ein Creative-Director und ein Top-Gastronom eröffnen ein Lokal. Das ist nicht der Beginn eines schlechten Witzes, sondern der Anfang des innovativen Streetfood-Projekts Tatarie Marie. Diese „Patchworkfamilie der Superlative“, wie die vier sich selbst nennen, belegt Brioche-Brötchen mit rohen Genüssen aller Art: Rind, Kalb, Fisch oder Gemüse – alles aus biologischer Herkunft. Auch die vielen Flavors und Toppings sind ebenso sorgfältig ausgewählt wie angerichtet. Für den Geschmack verantwortlich ist Dominik Stolzer, der zuletzt im Hotel Sacher als Küchenchef tätig war. Alles zusammen ergibt einen Schmaus sowohl für den Gaumen als auch für das Auge. Ein weiterer Blickfang sind die leuchtenden, 3D-gedruckten Stiernasen im Schaufenster des kleinen Lokals hinter dem Stephansdom. Die Tatarie Marie bringt Fast Food somit in allen Bereichen auf das nächste Level und beweist, dass schnelles Essen einerseits gut schmecken und andererseits hochwertig und nachhaltig sein kann.
Demel Kaiserschmarrn: Streetfood aus dem Schaufenster
Über die Herkunft des Namens Kaiserschmarrn werden viele Geschichten erzählt. Die meisten handeln von Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Sisi. Bei der Schreibweise – „Schmarrn“ oder „Schmarren“ – herrscht ebenso Uneinigkeit. Sicher ist: Zu einer Portion flaumigem Kaiserschmarrn mit Zwetschkenröster (Pflaumenkompott) und Staubzucker sagt niemand nein! Schon gar nicht, wenn diese vom K. u. K. Hofzuckerbäcker Demel am Kohlmarkt stammt. Diesen Schmarrn hat schon die kaiserliche Familie in der Hofburg genossen. Seit geraumer Zeit wird die Süßspeise nicht nur im Café, sondern auch unterwegs beim Schlendern durch die Wiener Innenstadt verzehrt. Streetfood-typisch kann sogar die Zubereitung beobachtet werden. Hinter einem großen Schaufenster brutzelt der Palatschinkenteig in mehreren großen Pfannen dahin, bis er fachmännisch „zerrissen“ wird. Ob am Ende Rosinen hineingehören? Da scheiden sich die Geister wieder.
Tichy Eismarillenknödel: Patentierter Eisgenuss
Seit über 70 Jahren begeistert die Familie Tichy im 10. Bezirk mit ihren Eis-Spezialitäten. Durch die Eismarillenknödel hat der Salon im Retro-Look zurecht internationale Bekanntheit erlangt. 1967 übersetzte Kurt Tichy Senior die beliebte Nachspeise Marillenknödel in sein eigenes Handwerk. Der Kern ist natürlich eine Marille (Aprikose) – allerdings in Eis-Form. Statt Kartoffelteig wird diese von Vanilleeis umhüllt und anschließend in Nusssplittern statt Bröseln gewälzt. Das Herstellungsverfahren ließ sich Tichy sogar patentieren. Auch geschmacklich geht nichts über das Original. Anfangs waren die Kund:innen noch skeptisch, so sollen Unwissende die Speiseeis-Knödel ins kochende Wasser geworfen haben. Schnell entwickelte sich die runde Versuchung zum Publikumsliebling und -magnet. Im Sommer sind die rot-weißen Tichy-Becher am Reumannplatz kaum zu übersehen. Schnell essen, bevor’s schmilzt!
Döner Brutal: Ein Klassiker neu interpretiert
Wien is(s)t anders: 1983 eröffnete das erste Döner-Lokal in Wien. Viel hat sich an dem Fast-Food-Klassiker bis heute nicht verändert – bis jetzt. Einige Gastronom:innen versuchen sich daran, dem Sandwich ihre individuelle Note zu verleihen. So auch Xaver Kislinger und Javier Mancilla, die mit Döner Brutal im sechsten Bezirk einen klingenden Namen für ihr Vorhaben gefunden haben. Das gespießte Bio-Rindfleisch verfeinern die beiden mittels Garum, einer fermentierten Gewürz-Essenz auf Koji-Pilzbasis. Als vegetarische Alternative gibt’s Seitan mariniert mit Linsen-Miso. Damit noch nicht genug: Je nach Geschmack kommen neben Rotkraut und Salzgurken auch eigens eingelegte Cherrytomaten und Zwiebel sowie Petersilie und Dill in das längliche Sauerteig-Brötchen. Zum Schluss eine Joghurt-Sauce mit gerösteten Zwiebeln, Knoblauch und Chili obendrauf. Schmeckt fast schon zärtlich statt brutal. Dazu ein hausgemachter Ayran oder Eistee.
Wiener Weinbergschnecken: Damals Streetfood – heute Rarität
Richtig gelesen! In der Spitzengastronomie gilt sie als Delikatesse, viele verziehen allein bei dem Gedanken das Gesicht, dabei war Wien bis ins 20. Jahrhundert eine Hochburg dieser Spezialität. Die Rede ist von der Weinbergschnecke. Damals galt sie weder als Fleisch noch Fisch und wurde deshalb als Fastenspeise beliebt. Alle Gesellschaftsschichten aßen die langsamen Kriechtiere in Knödeln, als Pasteten oder pur. So wurden sie am Schneckenmarkt hinter der Peterskirche im 1. Bezirk zubereitet. Die sogenannten „Schneckenweiber“ verkauften sie damals als kleine Mahlzeit für unterwegs – echtes Streetfood also. Andreas Gugumuck hat diese Tradition mit seiner Weinbergschneckenzucht am Wiener Stadtrand auf eine andere Art wieder aufleben lassen. Im hauseigenen Bistro ist die Schnecke der Star. In einigen Wiener Restaurants und Feinkostläden landet dieser vergessene Klassiker dank Gugumuck auch wieder auf dem Teller oder im Regal. Von der Straße ins Restaurant – und bald wieder zurück?