Anouk Lamm Anouk: der stille Shootingstar
Mitten in Wien, unweit des Parlaments, lebt und arbeitet Anouk Lamm Anouk (es handelt sich übrigens um keinen Künstlernamen) in einem prächtigen Altbau. Ein Refugium, das Anouk gemeinsam mit Ehefrau Marleen geschaffen hat und mit Hund und Katze bewohnt. Mit ruhiger Stimme und umgeben von unzähligen Werken erzählt die Künstler:in, die ganz offen mit ihrem Autismus umgeht, von der heiß begehrten Kunst, die hier überall präsent ist. Immer mit dabei ist Yorkshire-Terrier-Dame Sirius Grace, Schoßhündchen und Assistenzhund in einem.
So still Anouk als Person ist, so laut ist die Botschaft. „No age, no gender, no origin” lautet das selbstgewählte Manifest. Anouk ist Anfang 30, in Wien geboren und aufgewachsen, non-binär und greift im Englischen auf die Pronomen they/them zurück. Deutsche Äquivalente gibt es da bisher noch keine. Aktivistische Botschaften sind in Anouks Kunst unübersehbar. „Meine Arbeit ist sehr konzeptionell und sehr politisch. In einer Weise bin ich also eine Aktivistin.“ Die umjubelte Serie Lesbian Jazz bringt die in der bildenden Kunst unterrepräsentierte lesbische Sichtbarkeit auf die Leinwand. Anouk erinnert sich an Unverständnis, das während der Kindheit omnipräsent war: „Ich denke, nur durch Sichtbarkeit kann Normalität einkehren. Als ich klein war, gab es keinen Begriff für non-binäre Personen, wenige offen lesbische Menschen, Autismus war nicht sichtbar. Natürlich geht etwas weiter – aber es ist noch ein langer Weg.“
Von New York bis Hong Kong
Als andere Jugendliche um die Häuser zogen, entwickelte Anouk eine künstlerische Handschrift. „Alles, was ich heute bin und habe musste ich mir selbst erarbeiten. Es gab für mich keine Alternative zur Kunst, aber es war auch ein Risiko, weil ich über kein Netzwerk oder andere Sicherheiten verfüge.“ Anouk griff schon als Kind stets zu Stift und Papier, später kam die Leinwand dazu. Heute schafft die Künstler:in skulpturale Arbeiten und bringt Acryl auf riesiges belgisches Leinen, verwendet dabei nicht die grundierte Vorder-, sondern die Hinterseite mit dem hellen beigen Grundton, der stets durchscheint. Man findet viele abstrakte Körper, dazu Kreise und Linien. Außerdem viele Tiermotive – vor allem Pferde und Lämmer, die Kraft und Unberührtheit verkörpern. Anouks Stil ist reduziert und dennoch monumental. Sehr zart, leicht und elegant.
Diese unverkennbare Art zu malen, die durchs Studium an der Akademie der Bildenden Künste Wien und Universität der Künste Berlin gefestigt wurde, hat den Marktwert der Wiener:in in die Höhe schnellen lassen. Die Nachfrage nach Werken ist ungebrochen groß. Käufer:innen legen für Acryl-Arbeiten auf Leinwand kleinere vierstellige bis zu fünfstellige Beträge für größere Formate auf den Tisch. Erstmals zu sehen war Anouks Kunst 2014 im Wiener Belvedere 21, seit dem Gewinn des STRABAG Artaward International 2021 geht es mit der Karriere steil bergauf. Das heurige Jahr steht im Zeichen von Solo-Shows in Venedig und Bonn. Weitere Stationen: New York, Chicago, Seoul, Peking, Hong Kong. Anouk: „Ich wollte 2024 ruhiger angehen, aber es kam so viel dazu, was man nicht absagen möchte. Ich bin dankbar für die Sichtbarkeit.“
In aller Stille
Anouk Lamm Anouk arbeitet viel, an mehreren Projekten gleichzeitig und legt großen Wert auf Disziplin und Achtsamkeit: „Ich kann mir keine Fehler erlauben, nichts einfach übermalen.“ Skizzen gibt es keine. Manchmal sind Arbeiten nach einer Woche, manchmal nach sechs Monaten fertig. Ein Markenzeichen von Anouks Kunstwerken ist der erdig-pastellige Grundton. Allzu kräftige Farben sucht man vergeblich, Schwarz-Weiß und Beige dominieren: „Zu viel Farbe macht mich nervös, das wäre ein Overload für mich. Ich mag Kunst, die erdet und gute Gefühle auslöst.“
Der Hype um Anouk geht ungebrochen weiter, das Rampenlicht war anfangs jedoch ungewohnt: „Das größte Kompliment ist das Interesse an meiner Kunst. Ich möchte Menschen erreichen. Aber das ist mein Job, das bin nicht ich als Privatperson. Ich bin schüchtern und introvertiert und schöpfe aus der Stille meine Energie.“ Genau diese findet Anouk in Wien: „Trotz ihres Status als Metropole hat die Stadt für mich immer Ruhe ausgestrahlt. Darüber hinaus liebe ich einfach die Schönheit Wiens.“ Eine perfekte Symbiose.
Mehr Informationen: anouklammanouk.com
Dieser Artikel ist als Teil des Vienna, Intl. 2025 erschienen. Text: Maria Schaller