Thomastik-Infeld: Wiener Saiten für die Welt
Das Klang-Universum von Thomastik-Infeld beginnt, wo man es nicht sofort vermuten würde, hinter einer dunkelroten Tür in der eher unscheinbaren Diehlgasse 27. In den Werkstätten im fünften Bezirk werden jene Musiksaiten geplant und gefertigt, die von Wien aus die ganze Welt erobern. Jährlich werden hier rund 4,2 Millionen Saiten unter Einsatz präzisester Technologien hergestellt. Jede einzelne wird per Hand kontrolliert, bevor sie die Diehlgasse verlässt. 97 Prozent von ihnen werden in 85 Länder exportiert. Über 400 offizielle Vertriebspartner:innen zählt man mittlerweile weltweit. Das Sortiment mit seinen insgesamt 22 Produktfamilien umfasst Saiten für klassische Streichinstrumente genauso wie jene für Gitarren und Weltmusikinstrumente. Worin aber liegt das Geheimnis in über einhundert erfolgreichen Jahren?
Alle unter einem Dach
Bei den handgefertigten Saiten von Thomastik-Infeld handelt es sich um hochmoderne High-Tech- Produkte. Erkenntnisse aus Physik, Materialwissenschaft, Korrosionskunde, Werkzeugtechnik und Präzisionsmaschinenbau werden vereint. Für die akribische Planung und präzise Umsetzung zeichnen 206 Mitarbeiter:innen verantwortlich, ihre geschulten Hände und prüfenden Augen sind unverzichtbar. Die Einschulung neuer Kräfte nimmt rund zwei Jahre in Anspruch. 78 Prozent der Angestellten von Thomastik-Infeld sind übrigens weiblich. „Dieser Anteil ist zufallsbedingt“, erzählt Zdenka Infeld, die den Familienbetrieb seit 2009 leitet und die Belegschaft an einem einzigen Standort vereinen kann: „Für unseren Qualitätsanspruch ist es essenziell, dass unsere Techniker:innen, Entwickler:innen und die Qualitätssicherung ihre Arbeitsplätze im selben Haus haben.“
Der Sitz des Unternehmens in Wien bringt unschätzbare Vorteile mit sich. Weltweit weiß man um Wiens einzigartige Konzertsäle wie etwa im Wiener Konzerthaus, in denen herausragende Musiker:innen auftreten. Aber aus der Musikstadt Wien stammt oftmals eben auch das Material, das die besten Klangerlebnisse erst ermöglicht. „Der Standort Wien ist für uns als Saitenschmiede außerordentlich bedeutsam. Der Weg von einer der berühmten Bühnen zu uns in die Werkstatt ist ein kurzer“, erklärt Nina Haberlehner, Global Marketing & Creative Director bei Thomastik-Infeld.
Die Erfolgsformel
Dass sich das Unternehmen bis zum Weltmarktführer in der Herstellung von Violinsaiten entwickeln konnte, ist zwei Wiener Visionären zu verdanken, die den Betrieb mit ihrem Innovationsgeist und ihrer Leidenschaft für Musik 1919 gründeten: Franz Thomastik, Doktor der Philosophie und Geigenbauer, der das kreative Experimentieren mit den Saiten liebte. Und Otto Infeld, als Ingenieur und Technik-Experte sein idealer Partner. Kreativität und Mut, gepaart mit Präzision und Knowhow, sind seit Anfang an Grundpfeiler der Firmenphilosophie. Und Teil des Erfolgsrezepts: Seit der Firmengründung wurden 80 nationale und internationale Patente angemeldet – mehr als von jedem anderen Saitenhersteller weltweit.
Thomastik-Infeld trieb die Entwicklung neuer hochwertiger Saiten über die Jahrzehnte stets voran. Das Bestreben gipfelte 1970 in der Herstellung der „Dominant“ – sie gilt bis heute als meistgespielte und bekannteste Saite der Welt. Ihr synthetisches Material weist viele Vorteile verglichen mit den einst bevorzugten Naturdarmsaiten auf, sie ist beständiger gegenüber externen Einflüssen und hat eine längere Lebensdauer. Seit über 50 Jahren wird diese Saite, die 2021 um die „Dominant Pro“ erweitert wurde, rund um den Erdball geschätzt.
Hinhören und verbessern
Egal ob im Wiener Musikverein, im Sydney Opera House, im Central Park von New York oder beim Heavy-Metal-Festival in Wacken – Thomastik-Infeld ist längst auf den Bühnen und Straßen der ganzen Welt vertreten. Instrumente mit den Saiten aus Wien auszurüsten, gehört quasi zum guten Ton. Ein weiterer Meilenstein in der Firmengeschichte war die Etablierung von „Stringtelligence®“ zum 100. Geburtstag 2019, einer Wissensplattform, die Musiker:innen rund um den Globus umfangreiches Know-how auf Knopfdruck liefert.
Enorm wichtig ist aber auch die intensive Zusammenarbeit mit Solist:innen und Orchestern vor Ort in Wien. Internationale Größen unterschiedlicher Genres werden regelmäßig eingeladen, um ihren wertvollen Beitrag in der Produktentwicklung und Qualitätssicherung zu leisten. Das persönliche Feedback ist unbezahlbar, trotz des enormen technischen Know-hows kann kein Computer der Welt Klangqualität berechnen. Musiker:innen wie Ödön Rácz, Snow Owl, Aleksey Igudesman, Hilary Hahn, George Benson, Robert deMaine oder das Emerson Quartet geben sich seit Jahren bei Thomastik-Infeld die Klinke in die Hand. Denn Klang ist in der Diehlgasse 27 in Wien-Margareten eben allgegenwärtig.
Text: Maria Schaller
Thomastik-Infeld
1050 Wien
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Öffnungszeiten
- Mo - Do, 08:00 - 12:00 , 12:30 - 16:00
- Fr, 08:00 - 13:00