Transkript für BAHÖ V: Volksopern-Direktorin meets Rapperin
Bex: Früher hätte ich gesagt, nein doch nicht. Nein, lieber nicht. Aber Anfang des Jahres hab ich mir gesagt: Egal was ich mach, even if I have to do it afraid, I will still do it.
Lotte de Beer: Super.
Bex: 'Cause at the end of the day: I did it, I did it with fear, but I still did it.
Lotte de Beer: That’s courage. Ich glaube angstlose Leute sind gar nicht courageous. Sondern wenn man trotz der Angst etwas trotzdem macht, das ist mutig.
Bex: Ja!
*AUDIOTRENNER*
Lotte de Beer: Bahö. Also ich glaube die Wiener mögen gern Aufruhr.
Bex: Es ist einfach nur "Ba" und "hö" - BAHÖ!
Don't quote me on that.
Keine Ahnung. Irgendetwas knalliges mit Österreich.
Lotte de Beer: Ich hoffe, dass mein Gehirn angezündet wird.
Bex: Ja?! Das kann eh nur witzig werden, because I mean...
Lotte de Beer: Bahö!
Bex: Bahö!
*AUDIOTRENNER*
Moderatorin: Gegensätze suchen Gemeinsamkeiten. Oder umgekehrt? BAHÖ ist der Podcast, bei dem sich zwei treffen. Zwei Persönlichkeiten, zwei Lebenswelten, zwei Perspektiven. Durchs Reden kommen die Leut‘ zusammen, gerade in Wien.
In dieser Folge trifft Rapperin Bex auf die Direktorin der Volksoper Wien, Lotte de Beer. Die beiden sprechen darüber, was Rap mit Poesie zu tun hat, warum Regie-Arbeit an Barbies erinnert und warum Kunst ohne Risiko keine Kunst ist.
*AUDIOTRENNER*
Lotte de Beer: Ich hoffe auf ein spannendes Gespräch, zwischen zwei Leuten aus verschiedenen Ecken von eigentlich der gleichen Musikwelt. Ich hab' gemerkt, dass ich sehr wenig weiß von der Praxis, dem Alltag, von Genres, die nicht das klassische Musiktheater sind. Da bin ich sehr neugierig. Ich bin auch neugierig auf ihre Publikumsverbindung und ich würde mich gerne austauschen darüber, wie man eigentlich ihre Publikumsgruppe und unsere Publikumsgruppe vielleicht sogar miteinander vermischen könnte.
Bex: Ich glaube mich erwartet hier eine wunderbare Frau. Und was mich erwartet, I don’t know. No clue.
Redakteurin: Dann gehen wir hoch, oder?
Bex: Ja!
*Bex betritt den Raum und Lotte de Beer wartet auf sie*
Bex: Thats so dramatic.
Lotte de Beer: Hi.
Bex: Hi, nice to meet you.
Lotte de Beer: Nice to meet you too. Ah, das machen wir aber auf Deutsch glaube ich?
Bex: Wir machen’s Denglisch.
Lotte: Denglisch? Super, mein favorite.
Bex: Ja, same, same. Dein Turn war so dramatisch, du stehst hier so.
Lotte de Beer: Genau, philosophisch aus dem Fenster zu schauen, oder? Ja genau, Theater ist unser Beruf.
Bex: Man merkts, du lebst es.
Lotte de Beer: Absolutely. Hast du jetzt Performances?
Bex: Mhm, ich hatte in Wien hatte ich letzte Woche. Und ja, da ist ein bisschen... Ich übernehme mich dann immer ein bisschen auf der Bühne, so Ahhh.
Lotte de Beer: Und jetzt spürst du’s?
Bex: Ja, ich spür es jetzt wirklich seit ein paar Tagen, ich kling wie so ein pubertierender Junge.
Lotte de Beer: Du reist auch viel, oder? Aber du bist auch in Wien?
Bex: Ich bin eigentlich in Wien hauptsächlich.
Lotte de Beer: Du bist Wienerin?
Bex: Nein, ich bin nicht Wienerin. Ich bin hergezogen vor drei Jahren.
Lotte de Beer: Ah, von wo?
Bex: Salzburg, also Pongau, um genau zu sein.
Lotte de Beer: Du bist eine Salzburgerin?
Bex: Ja, genau.
Lotte de Beer: Ah, sorry!
Bex: Und du?
Lotte de Beer: Ich komme aus ursprünglich aus Holland. Aber wenn man in der Oper arbeitet, muss man immer 6 Wochen hier, 8 Wochen da. Also ich hab dann 10 Jahre eigentlich kein zu Hause gehabt. Nur immer in einem kleinen Apartment in irgendeiner Stadt, in irgendeinem Opernhaus gearbeitet. Dann bekam ich ein Kind und dann so mit Babywagen im Flugzeug etc. Das war alles nicht so praktisch.
Bex: Oh mein Gott, das klingt stressig!
Lotte de Beer: Und dann kam diese opportunity und ich dachte, sie ist dann fünf und dann muss sie eigentlich zu Schule gehen. Und dann hab ich einen fixen Job wo ich auch leben kann, das ist eigentlich perfekt.
Bex: Und wie gefällt dir Wien?
Lotte de Beer: Ich liebe Wien. Ja! Also man kennt erst Wien so wie ein Tourist. Es ist da so schön und Mozartkugeln und klassische Musik. Aber im Moment finde ich, es ist eine total lockere, entspannte Stadt, weil man das Gefühl hat, die Leute leben auch wirklich in Wien. Ich hab auch in Paris gelebt, ich hab auch in New York gelebt, in London und Tel Aviv und das sind so große Städte. Aber um dort zu leben, muss man so viel Miete bezahlen.
Bex: Es ist eher mehr ein Überleben statt Leben.
Lotte de Beer: Ja, genau. Es ist entweder: Man überlebt oder man lebt 1 1/2 Stunden weg und muss immer reisen. Und hier: ganz viele normale Leute die einfach ihre Kinder hier in der Schule haben. Und das macht die Stadt irgendwie entspannter finde ich.
Bex: Ja, also Wien für mich, ist halt sehr entspannt, aber Entertainment mäßig finde ich es ein bisschen zu entspannt.
Lotte de Beer: Was würdest du dir wünschen?
Bex: More risks.
Lotte de Beer: Risks?
Bex: Ja genau! Das sie einfach so ein bisschen mehr ins Unerwartete gehen und mehr Überraschungen auch da lassen auch für die Wiener. Also grundsätzlich was alles Entertainment angeht. Wie siehst du das so im Theater?
Lotte de Beer: Es ist interessant für mich. Für mich ist das so, wenn man Oper macht, ist Wien schon das Mekka, mit drei großen Opernhäusern etc. Und ich hab schon die Idee, dass jetzt - also ich bin hier neu und das Theater an der Wien hat eine neue Intendanz und auch die Staatsoper relativ neu - dass man schon das Neue, Unerwartete aufsucht. Also innerhalb der Grenzen natürlich. Wir sind so ein großes Theater. Wir spielen 300-mal pro Jahr. Also richtig experimentell. Also das passt nicht wirklich bei so einem Staatstheater. Andererseits machen wir ganz viele neue Sachen, die man noch nie gemacht hat seit letztem September. Aber wenn du sagst, ich hätte gerne mehr Risks, mehr Abenteuer, wo siehst du das zum Beispiel?
Bex: Ich sehe es bei mir, coming from music, ist es eher mehr in der Musik. So ein bisschen mehr was Artists angeht. Weil ich denk mir, okay, im Klassischen ist es beliebt durchaus. Es ist so auch etwas, was Österreich irgendwie auszeichnet. Aber wenn’s um eher modern und um mehr - nicht direkt mit der Welle mitzuschwimmen, sondern halt einfach nur auch nur eine kleine Welle mitzunehmen, und irgendwie zu was Eigenem zu verwandeln. Aber es verändert sich schon, das muss ich schon sagen. So step by step, zwar so baby steps, aber es ist Step-by-Step, weil immerhin: Ich sitze hier mit dir so von dem her.
Lotte de Beer: Ja, das stimmt! Was ich gemerkt habe: Das Schöne an Wien, vielleicht auch Österreich, aber Wien besonders ist, dass es den Leuten nicht gleichgültig ist, was passiert in der Kunstszene. Also es gibt viel Publikum und man engagiert sich richtig damit. Und als ich gekommen bin, habe ich so viel Hate-Mail bekommen.
Bex: Wirklich?
Lotte de Beer: Ja, ja, ja. "In Wien muss alles genau gleichbleiben sowie es ist." Ja, aber andererseits denkt man sich auch: In Holland hätte man sich überhaupt nicht einmal Gedanken gemacht, weil - ach egal was da passiert. Aber hier - also man engagiert sich. Das kann manchmal böse rauskommen. Aber das Publikum ist da, die Begeisterung für die Kunstform ist da. Und ich glaube, wenn man versucht zu sagen: Nein, nein, nein, es ist auch für euch wirklich, wir machen das zusammen - und sowie du’s gesagt hast, Baby-Steps, und nicht sagen so: "Haha jetzt spiel ich euch allen den Saal aus und ich mache nur Shock", sondern man denkt wo können wir jetzt hin wo’s interessant ist, dann glaube ich kann man auch mit der Welle mit, die die Stadt so besonders macht.
Bex: Also du beschreibst genau meinen Performancestil.
Lotte de Beer: Oh, really?
Bex: Weil ich bin auch nicht so, dass ich auf die Bühne komme und sag: Okay, ich perform jetzt und tschüss. Sondern ich will, dass die crowd so viel mitmacht wie nur möglich. Weil es ist so ein Energieaustausch. Ich gebe Energie - ich bekomme Energie zurück. Und das nehmen dann die Leute mit und es ist so Step-by-Step und so mach ich das.
Lotte de Beer: Improvisierst du auch?
Bex: Ich improvisiere sehr viel.
Lotte de Beer: Wirklich?
Bex: Also ich hab eben meine Setliste von den Songs, aber ich improvisiere sehr viel, was ich sage, ich schreib das nie vorher auf.
Lotte de Beer: Oh wow.
Bex: Nein, ich will wirklich in dem Moment wissen: Wie ist die crowd, wie schwierig ist es mit der crowd und wie überzeug ich die crowd. Und wie beweg ich dann die crowd so zum Schluss, dass sie dann einfach nur mit diesem Satz halt so: „What the fuck was that“ - aber im guten Sinne - rausgehen.
Lotte de Beer: Ja, ja, exactly! Unsere Arbeit ist sehr gleich, muss ich sagen, weil auch wir - obwohl wir improvisieren überhaupt nicht. Nicht überhaupt nicht aber besonders im Musikalischen, alle Töne liegen fest, weil wir haben ein Orchester oder oft einen Chor von hunderten Menschen ,die auf der Bühne stehen und im Graben, und die müssen natürlich genau wissen, was die anderen machen. Aber trotzdem sind alle Vorstellungen anders, weil wer in deinem Publikum sitzt, wann gelacht wird, wann geklatscht wird, wann sich gelangweilt wird oder wann sich engagiert wird, dass ändert die Performance. Deshalb ist es so unglaublich wichtig für mich, dass wir so viel wie möglich machen, um ein so unterschiedlich wie mögliches Publikum zu haben. Weil wenn immer die gleichen Leute dort sitzen, hat man immer die gleiche Diskussion. Wenn Leute sich begegnen, die vielleicht ganz andere politische Bewegungen haben oder ganz andere Altersgruppen oder Herkünfte, dann glaube ich hat man einen viel spannenderen Dialog.
Bex: Ja, ich finde das auch, bei mir gibt es auch bei meinen Performances - naja, abgesehen von Kindern. Kinder sind nicht erwünscht. Aber ab dem Erwachsenenalter ist egal wie alt.
Lotte de Beer: Ach ja?
Bex: Ja. Ich hatte auch mal bei einer Exhibition, da hatte ich eine Performance und da war eine ältere Dame. Und in der Ecke hat sie sich nur so hin und her bewegt. Und ich fand das so süß, weil meine Musik spricht sie wahrscheinlich nicht wirklich an, aber sie macht einfach in dem Moment so mit. Also ich verstehe was du meinst, dass auch so verschiedene Leute - und je mehr man dann ins Gespräch kommt, desto mehr lernt man sich dann kennen. Das macht dann schon eine Welle.
Lotte de Beer: Ja, absolut!
Bex: It’s the ripple that caused the Wave.
Lotte de Beer: Absolutely.
*AUDIOTRENNER*
Lotte de Beer: Ich war in New York einmal, und da wollte ich ein Schauspiel sehen. Das war ein sehr besonderes Schauspiel. Man hat so Kopfhörer auf und es war ein Performer und der hat durch ein Mikro gesprochen in der Form von einem Kopf. Und man hat sich wirklich so von ihm umkreist gefüllt. Wir saßen da mit 800 Leuten vielleicht und in der Schlange, bevor wir rein gingen, sah ich zwei Leute vor mir stehen. Das war eine Mutter mit ihrer Tochter mit „Make America Great Again“ Hats. Und ich hab gedacht: Oh Gott, wir könnten nicht weiter voneinander liegen. Und wahrscheinlich hätten wir ein Gespräch angefangen, wäre es wahrscheinlich gleich so gewesen, dass man sieht: Oh du bist sehr unterschiedlich zu mir. Und dann saßen wir im Theater ganz nah beieinander. Die Vorstellung war wirklich hoch emotional, es war darüber, wie wir als Menschen eigentlich unsere Umwelt ruinieren. Aber wirklich philosophisch, warum wir als Menschen doch so unfähig sind, irgendwie friedlich miteinander und mit unserer Umgebung zu leben. Und am Ende hab ich wirklich Tränen geweint und geschluchzt und dann habe ich mich umgedreht und hab gesehen, dass die Dame genauso geweint hat. Und ich hab mich so verbunden gefühlt mit jemandem, der so weit von mir weg steht. Genau das kann Theater machen.
Bex: Ja, true. Ja, ich liebe Theater. Also in der Schule war ich immer im Drama, im Theaterclub und ich war die Lieblingsschülerin von den Lehrern. Weil Theater war für mich so: it was a way to escape.
Lotte de Beer: Ja, genau das.
Bex: Dort wo ich aufgewachsen bin.
Lotte de Beer: Das war in Salzburg?
Bex: Es ist sogar ein bisschen außerhalb von Salzburg.
Lotte de Beer: Am Land?
Bex: Am Land, Land, Land.
Lotte de Beer: Ich auch, zwischen den Kühen bin ich aufgewachsen.
Bex: Ja same, ich bin am Bauernhof aufgewachsen.
Lotte de Beer: Oh, really? Also bist du wirklich so ...?
Bex: Nein, das war für mich ein Horror. Mind you. Ich bin die ersten 10 Jahre meines Lebens in Ghana aufgewachsen und dann bin ich von Ghana direkt nach Österreich gekommen.
Lotte de Beer: Wie? Warum?
Bex: Also, mein Stiefvater hat Urlaub gemacht und hat meine Mutter kennengelernt. Und daraufhin sind wir dann auch nach Österreich gekommen. Und musst du dir vorstellen: Das war auch das erste Mal, dass ich überhaupt Schnee gesehen habe.
Lotte de Beer: Wow, wie war das? Wie ein Märchenland?
Bex: Es war Kultur Schock.
Lotte de Beer: Aber good Culture shock or bad Culture shock?
Bex: Bad, it was bad. Ich hab in Ghana direkt am Strand gelebt, also der Strand war direkt vor der Haustür. Und es war sonnig und alles und dann komm ich hier her - es ist so kalt und dann ist Schnee. Es liegt da, es ist weiß, aber wenn man es angreift, schmilzt es in der Hand. It did not make sense! It did not make sense in my head! Abgesehen von meiner Familie waren die Leute nicht welcoming auch. In der Schule auch nicht, also vor allem in der Schule war es sehr dramatisch. Da weiß ich noch, da hat eine meiner Lehrerinnen hat gesagt, sie hat vor König der Löwen, das Musical zu machen als Theaterstück und wer will kann sich jetzt anmelden. Ich war so nervös, ich war schüchtern, manchmal war ich laut, aber es war nicht so im Positiven, es war eher mehr laut für die Aufmerksamkeit.
Lotte de Beer: Negative Aufmerksamkeit...
Bex: Genau. Und dann hab ich mir die Rolle von Nala und von Scar aufgeschrieben. Und dann eben bei der Audition war dann Nala dran, ich hab mich dann nicht getraut für Nala. Aber dann bin ich bei Scar aufgestanden und es war in dem Moment, es hat sich so - alles ist mal stehen geblieben und es war nur ich und ich hab dann einfach nur performt.
Lotte de Beer: Und du fühltest dich frei.
Bex: Und die Lehrerin ist so aufgestanden und hat geklatscht. Und ich hab mich so frei gefühlt und es war in dem Moment wo ich so gemerkt hab, okay „I love this“. Ich liebe es!
Lotte de Beer: Wow, Gänsehaut bekomm ich, das ist wirklich eine gute Geschichte.
Bex: Es war so schön.
Lotte de Beer: Und hast du’s danach gemacht?
Bex: Ja, es ist sogar auf DVD. Mittlerweile so looking back, it was a bit cringe, aber ist okay.
Lotte de Beer: Ich hab auch solche DVDs, keine Sorge. Das gehört dazu!
Bex: Ich trage es mit einem Lächeln, weil es ist schon so eine gute Erinnerung auch immer wieder und deswegen, das Theater bedeutet mir schon viel.
Lotte de Beer: Und wie bist du dann weiter - hast du einfach selber angefangen Liedtexte zu schreiben, oder?
Bex: Ach, oh god. Das ist auch eine witzige Story. Ich hab meinen leiblichen Vater nie kennengelernt und dadurch hab ich angefangen mit ihm zu kommunizieren, indem ich ihm Briefe schreibe und unter mein Kopfkissen lege. In meiner Vorstellung war es so, er kommt in der Nacht und liest die Briefe. Und daraus sind irgendwie Reime entstanden und mit Musik - Musik war nie in meiner Laufbahn. Ich hab dann in Wien zufälligerweise, also wirklich per Zufall und Schicksal hab ich meine beste Freundin kenngelernt, Angel. Und sie ist Sängerin und es war Valentinstag und wir hatten keine Dates, sie hatte eine Studiosession. Und wir sind dann hin und haben so einen Best Friends Song aufgenommen.
Lotte de Beer: Und plötzlich hast du dir gedacht, dass ist eigentlich noch mehr mein Ding, vielleicht. Musik.
Bex: Es ist eigentlich beides, es war dann „I love it“. Aber nichts geht über being on Stage, eigentlich. Es macht Spaß im Studio zu sein, das alles zu machen, aber on Stage. Ich liebe dieses Gefühl on Stage zu sein, weil in dem Moment ist es so meine Aufgabe, den Leuten einfach ein Erlebnis mitzugeben.
Lotte de Beer: Und du schaffst das. Weil ich hab auch angefangen, erst auf der Schauspielschule, auf dem Konservatorium zu denken, ich will auch auf die Bühne. Das ist das Einzige, was man kennt vom Theater, wenn man denkt, ja, das will ich. Dann denkt man ich will auf die Bühne. Aber ich war überhaupt nicht gut auf einer Bühne, ich hab nicht aufgehört nachzudenken. Das war so, als ob eine Kamera auf meinem Kopf stand, und dass ich nur die ganze Zeit so analysiert, was alles falsch war. Und dann auf der Schauspielschule hat ein Lehrer mir gesagt: Lotte, die ganze Zeit, wenn du eine Szene probst, dann stellst du dich zurück und hilfst deinen Kollegen. Und er hat gesagt, das Helfen, das hat einen Namen, das heißt inszenieren, das heißt Regie, das kannst du! Und dann hab ich gewechselt und bin auf eine Regieschule gekommen, und dort hab ich gemerkt: Ja, jetzt bin ich gut! Ich muss nicht selbst auf der Bühne stehen, sondern ich will gerne anderen Leuten helfen. Welche Geschichten wir erzählen, wie das aussieht, wie man das spielt. Und damit bin ich total überglücklich und zu Hause und ich liebe Performance, aber ich könnte das nie.
Bex: Nie?
Lotte de Beer: Nein.
Bex: Nein?
Lotte de Beer: Nein wirklich.
Bex: Kein einziges Mal?
Lotte de Beer: Kein einziges Mal, nein. Ich liebe es zu Schauspielern, in meiner Probebühne spiele ich oft so vor und ich glaub das ist gar nicht so schlecht manchmal.
Bex: Ich bin mir sicher es ist nicht schlecht.
Lotte de Beer: Ja, aber sobald jemand zuschaut und ich sehe Publikum, dann kommt so eine Überspannung drauf. Aber es ist okay, es gibt Leute, die es viel besser können.
Bex: Und du hast dein Talent da, mit Regie und mit dem Inszenieren.
Lotte de Beer: Genau, es fühlt sich bisschen an, wie wenn man Kind ist, wenn man mit Barbies spielt. Und man sagt: Und dann und dann und dann könnte das passieren. Das mach ich aber eben groß und jetzt noch in größer, weil man jetzt noch verantwortlich ist für wirklich alles, was passiert.
Bex: Wie fühlt sich das eigentlich an, so viel Verantwortung zu haben?
Lotte de Beer: Manchmal, wenn ich das realisiere, denk ich mir: „Why did I start this?" So warum, das war ein tolles Leben. Es ist natürlich auch viel Büroarbeit jetzt und jeden Tag denkt man: So jetzt gehe ich anfangen, Kunst zu machen und dann klopft jemand an die Tür und sagt: „I have a lot of shit on my plate. Could I?“ Wonderful that feels so much better. Und am Ende liegt so viel shit auf meinem plate und ich muss mich da durcharbeiten. Aber das Gute ist, wenn man’s löst, kann man besser Kunst erschaffen, machen, ermöglichen und jeden Tag kann ich in unserem Saal sitzen und sehen, dass 1300 Leute eine emotionale, philosophische, witzige, entertainende, super Erfahrung haben. Also gestern hatten wir eine Schulvorstellung und ich war in meinem Büro und ich hab irgendwie so schreien gehört und ich hab gedacht: Was ist da los? Und dann hab ich die Tür aufgemacht und hab 1300 schreiende Kinder gesehen beim Applaus, wirklich wie bei einem Rockkonzert und da denkt man „Ja genau“.
Bex: Das ist dann so: “Mission accomplished, Job well done”.
Lotte de Beer: Absolutely, that’s why we do it.
Bex: Ja, im Endeffekt ist es dann so, dass die Leute dann Emotionen mitnehmen, die Emotionen die man vermitteln will.
Lotte de Beer: Ja, und so geteilte Emotionen, weil sie sitzen dort alle, es ist eine Live Experience, sie sind zusammen. Ich bin aufgewachsen ganz ohne Kirche, ohne Rituale - es war alles schon in den Generationen vor mir abgearbeitet. Aber man vermisst diese Verbundenheit mit seinen Mitmenschen, um über Sachen nachzudenken, wie Tod und Liebe und Leben und der scheiternde Mensch und wie geht man miteinander um et cetera. Und genau das sehe ich im Theater.
*AUDIOTRENNER*
Lotte de Beer: Ich glaube es gibt ganz viele Klischees für die Oper.
Bex: Extrem!
Lotte de Beer: Also es gibt Klischees, dass Oper langweilig ist, dass es was für alte Leute ist, dass es alte, dicke Diva-Leute sind, die stehen und virtuos singen. Und wenn man dann Leute mitnimmt ins Theater, sieht man dann, das ist eine total lebendige, hochemotionale, junge, diverse Kunstform, wobei man Geschichten erzählt. Das sind oft Geschichten, die einen Ewigkeitswert haben mit Musik aus einer ganz, ganz alten Zeit, die aber - Musik kommuniziert immer direkt mit der Seele und es wird im Jetzt gemacht auf der Bühne. Das heißt Bilder von heute, Musik von gestern und eine Geschichte, die über alles geht eigentlich.
Bex: Okay, okay. Also bei dem Klischee von Oper, das ist ja das was man irgendwie von Pop-Culture mitbekommt oder vermittelt bekommt, dass es in der Oper eigentlich nur übergewichtige Dramaqueens gibt, die so dastehen, und so dachte ich mir auch, dass die Oper eigentlich so ist. So die ganze Zeit nur das.
Lotte de Beer: Es hat wirklich nichts damit zu tun.
Bex: Ich freue mich voll, dass du mir das eben so erklärt hast, ich freu mich auch voll mein erstes Opernstück zu sehen. Sagt man Opernstück oder Oper?
Lotte de Beer: Oper, meine erste Oper.
Bex: Okay, das Wort ist auch voll witzig, weil es ist Oper, Opa sowie Großvater.
Lotte de Beer: Oh ja, das stimmt. Opera, Opera!
*AUDIOTRENNER*
Bex: Ich würde sagen, die Zeit der Männer ist nicht vorbei, weil die Zeit der Männer - I don’t know - wenn die Zeit der Männer vorbei ist, dann ist es ja auch nicht das Richtige. Es sollte ja eine Zusammenarbeit sein, eine gemeinsame. Equal Arbeit, equal Gemeinschaft leben und das alles. Ich für meinen Teil, ich will jetzt nicht, dass es irgendwie keine Männer - oder sonst was "Fuck men" oder sonst irgendwas ist.
Lotte de Beer: Absolutely.
Bex: Ja es sollte eben gleichgestellt sein. Das ist halt das Ziel und Feminismus im Sinne - I mean, mir hat jemand mal gesagt: „Ich hab die schlechtesten Karten der Welt gezogen". Ich bin eine Frau, ich bin Schwarz und ich lebe in Europa.
Lotte de Beer: Ja, shit!
Bex: Mittlerweile sehe ich das eher mehr so: okay, das sind vielleicht nicht die schlechtesten Karten. Weil irgendwo sind es sicher die inspirierendesten Karten, die jemals irgendwer gesehen hat. Und es beweist auch wie stark ich eigentlich im Endeffekt bin, dass trotz all dieser schlechten Karten, dass ich es jetzt trotzdem so weit gebracht habe.
Lotte de Beer: Absolut!
Bex: Und ich liebe es Frauen zu inspirieren. Ich hab auch schon, ich hab zum Beispiel Mädels, die halt so religiously zu meinen Konzerten kommen und es freut mich immer wieder in den DMs, wenn ich eine Frisur trage, und sie tragen das dann auch und dann sagen sie: "Du hast mich inspiriert." It’s heartwarming.
Lotte de Beer: It’s super important what you do.
Bex: Ja und es ist auch extrem wichtig, was du machst, weil es öffnet auch vielen die Augen, for example me. So nach dem Gespräch ...
Lotte de Beer: Nein, wir müssen noch kurz bei dir bleiben, weil ich finde das ist eine schöne Geschichte, die du hast. Du hast die schlechtesten Karten gezogen, aber genau deshalb, weil du es geschafft hast, dass Leute auf dich hören, deshalb ist deine Stimme so unglaublich wichtig. Um andere zu erreichen, die vielleicht schon das Gefühl haben, sie haben die schlechteste Karten gezogen.
Bex: Deswegen ist mir auch das Performen so wichtig, dass jeder einzelne erreicht wird und jeder einzelne mit dem Gefühl heimgeht wie - ich kann mit Bauch rein, Brust raus - niemand kann mir irgendwas, so „I don’t give a fuck“.
Lotte de Beer: I love what you’re saying. Also eigentlich sprichst du über - wenn du sprichst jetzt über deine Performance, du gibst etwas an dein Publikum, you empower them, du inspirierst sie damit sie rausgehen. Also das find ich sehr weiblich. Und that’s a compliment. Und ich glaube, wenn wir sprechen, ist die Zeit der Männer vorbei, nein! So wie du sagst, es soll auch nicht vorbei sein. Aber ich glaube, die Zeit ist vorbei, dass alles dominiert wurde von Männern.
Bex: Oh ja, das auf jeden Fall!
Lotte de Beer: Und ich glaube so diese generosity, die du gerade beschreibst, wenn man das auch im Führungsstil z zum Beispiel, auch on Stage aber auch in Zusammenarbeit mit Kollegen oder mit Leuten, die für dich arbeiten, wenn man das so vorlebt, dann wird es immer schwieriger für eine so ganz traditionelle männliche Weise des Agierens.
Bex: Ich glaub, wenn wir eben von Männern sprechen, würde ich auch eher mehr dieses Traditionelle ...
Lotte de Beer: Genau, es ist oft gar nicht in Mann, Frau aufgeteilt, sondern in diesem patriarchalen Top down, Ego, Macho ...
Bex: Genau, es ist halt, ich würde sagen, eine Gruppe von Männern.
Lotte de Beer: Eine dominante. Ich würde sagen, auch eine Tradition. Man hat auch wirklich geglaubt: Das ist Führung, wenn man so mit Menschen umgeht! Und ich glaube, je mehr wir es anders machen, je weniger Menschen es noch akzeptieren werden, so behandelt zu werden. Und das finde ich, so wie ich Feminismus ausüben würde, ist einfach vorleben, so wie ich glaube, dass wir miteinander zusammen umgehen könnten.
*AUDIOTRENNER*
Lotte de Beer: Also eigentlich machen wir das gleiche, aber in parallelen Universen.
Bex: Voll, wir wären uns glaube ich echt nie begegnet.
Lotte de Beer: Nein
Bex: Never. Nein.
Lotte de Beer: Schade! Aber weißt du, aber trotzdem, wöchentlich habe ich Sitzungen mit ganz interessanten Leuten, um zu sagen, wie können wir rausgehen aus unserer Bubble, wie könne wir andere Leute reinholen. Und trotzdem komme ich nicht mit dir in Kontakt und das ist eigentlich total doof. Weißt du was, ich würde dich gerne einladen, um mal in so einer Sitzung teilzunehmen, um uns vielleicht unsere Augen zu öffnen, was wir noch machen könnten, damit wir uns begegnen.
Bex: Kann ich da diesbezüglich auch ein paar Artists Freunde von mir mitbringen?
Lotte de Beer: Bitte, sicher!
Bex: Weil wir sind alle in Wien. Und es ist so: „It takes a village to raise an artist and if the village doesn’t acknowledge the artist, the artist cannot grow“. Und das ist halt so, dass was wir wollen, einfach nur das Wien auch sieht: Okay, es gibt so viel Talent hier, ich kann dir so viele Talente von Stimmen bis Tanzen, bis hin zu Designern ...
Lotte de Beer: Na super! Weißt du, du bist eine Schriftstellerin eigentlich auch, oder?.
Bex: Wirklich?
Lotte de Beer: Ja, du schreibst deine Texte.
Bex: Ja, aber ...
Lotte de Beer: Immer wieder bearbeiten wir alte Stücke und schreiben wir neue Sachen, es wird total interessant deine Arbeit kennenzulernen. Es gibt so viele Schnittstellen.
Bex: Ja, es würde mich ultra interessieren, definitiv. Aber ich würde dich sehr gerne auch einladen zu dieser Party.
Lotte de Beer: Sehr gerne, ich komme! Absolut, und ich nehme auch meine Opern Freunde mit! Aber ich glaube wir veranstalten hier auch einen Tag, dass du und die Leute, die du gerne mitnehmen willst, mal zu uns kommen, dass wir ein Gespräch haben können, einen Austausch und das wir danach zusammen eine Vorstellung besuchen.
Bex: Ja, das wäre cool, das wäre super!
Lotte de Beer: Ja, ganz toll!
Bex: Ja es sind crazy Creatives hier und ich bin so lucky, dass ich so reingefallen bin in diese Gruppe. Es sind wirklich unglaubliche Leute, unglaubliche Artists und ich denk mir: „Okay! Vienna open your eyes“. Und ich bin froh, dass Vienna zumindest bei mir die Augen geöffnet hat mit Waves zum Beispiel - ich hab ja XA Award gewonnen, das heißt nächstes Jahr bin ich so bei Showcase Festivals.
Lotte de Beer: Super. Hier in Wien?
Bex: Nein, überall. Unter anderem Köln und et cetera. Aber das, was ich erreicht habe, das sollen noch weiter, das soll noch mehr, noch offener, noch riskier - weil ich weiß ich bin ein Risiko, because you never know, wie werden die Leute auf mich reagieren.
Lotte de Beer: Weißt du, ich bin ein Bundestheater. Das heißt - ich bin? Wir sind! Ein Bundestheater. Es geht nicht um mich! Und wir kriegen ganz viel Staatsgeld und wir haben einen Auftrag. Der Auftrag ist auf hohem Internationalem Nivea gute Kunst zu machen. Der zweite ist Risiken zu nehmen. Das ist mein Auftrag!
Bex: Yes!
Lotte de Beer: Und das muss man auch in der Kunst. Wenn man das nicht macht, kann man auch aufhören.
Bex: Kunst ohne Risiko ist keine Kunst, ich find das ist keine Kunst.
Lotte de Beer: Das ist reproduction.
Bex: Ja genau, da kann man genau gar nichts machen.
*AUDIOTRENNER*
Lotte de Beer: I’m totally inspired.
Bex: Same!
Lotte de Beer: Ich bin so dankbar. Ich weiß, dass ist jetzt im Kontext von WienTourismus, aber ich schlag mir vor den Kopf, dass ich nicht solche Gespräche selber organisiere, weil das ist so wichtig und ich glaube, dass ist der Anfang jetzt von einer längeren Beziehung, hoffe ich.
Bex: Ja, ich freu mich voll! Ich hab schon ein Interview von dir eben gesehen. Ich hab den Link zugeschickt bekommen, aber ich hab’s gesehen und ich war gleich so: What?! She is in Vienna? Nein, weil du wirkst so offen und entspannt. Ich war am Anfang kurz nervös, aber dann dachte ich mir: Okay, egal was kommt, wir machen einfach ein Gespräch und es ist noch besser als ich erwartet habe. Es ist noch chilliger. Wirklich Dankeschön.
Lotte de Beer: Danke dir, und danke euch das ihr das veranstaltet habt. Good Match-Making.
Bex: Speaking of: BAHÖ.
Lotte de Beer: Kanntest du das Wort?
Bex: Nein, ich hab nur irgendwas mit Knall gesagt, es ist knallig.
Lotte de Beer: Ich auch nicht. You were better than I said: "grrrr gllll" …
Bex: I said the Ö is for Österreich.
*AUDIOTRENNER*
Bex: Liebe Hörer und Hörerinnen and the non-binary friends die hören: Folgt, liked, abonniert, macht alles, was man im Internet mit Content macht, shared und abonniert.
Lotte de Beer: Ich schließ mich dabei an. BAHÖ.
Bex: BAHÖ.
Lotte de Beer: Okay.
Bex: Jaaaa!
Lotte de Beer: Yay!
*AUDIOTRENNER*
Bex: Ich hab vorher schon zum Team gesagt - ich hab nämlich die Kostüme gesehen - ich hab sie dann gefragt: Glaubst du, wird die Lotte dann mit mir Kostüme anziehen?
Lotte de Beer: Ich weiß nicht, ob wir das dürfen ...
Volksoper Wien
1090 Wien
- http://www.volksoper.at
- +43 1 51444-3670 (Informationen)
- +43 1 513 1 513 (Bestellen mit Kreditkarte)
- tickets@volksoper.at
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Barrierefreiheit
-
Lift vorhanden
- Tür 80 cm breit
-
Weitere Informationen
- Blindenhunde erlaubt
- 2 Rollstuhlplätze verfügbar (Parkett, weitere 13 Rollstuhlplätze möglich, Anmeldung per Telefon bis 10 Tage vor der Vorstellung)
- Behinderten-WC mit barrierefreiem Zugang vorhanden.
-
Anmerkungen
Lift nicht für Rollstühle geeignet.
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Lift vorhanden